Versmaß
Wenn du dich im Deutschunterricht gerade mit Gedichten beschäftigst, stolperst du bestimmt über den Begriff Versmaß. Was es damit auf sich hat und wie du ihn ganz leicht bestimmen kannst, zeigen wir dir hier und im Video!
Inhaltsübersicht
Was ist ein Versmaß?
Das Versmaß gibt den Rhythmus in einem Gedicht vor. Es sorgt dafür, dass du beim Lesen manche Wörter stärker betonst. So entsteht ein Muster, ähnlich wie beim Takt in der Musik. Deshalb wirken manche Gedichte eher traurig und andere hingegen fröhlich oder spannend.
Die vier wichtigsten Versmaße heißen:
- Jambus
- Trochäus
- Anapäst
- Daktylus
Sie sorgen jeweils für einen eigenen Klang und Rhythmus im Gedicht.
Wichtig: Du bezeichnest das Versmaß bei Gedichten auch als „Metrum“.
Grundlagen, um das Versmaß zu bestimmen
Um das Versmaß zu bestimmen, solltest du ein paar grundlegende Begriffe kennen. Dazu gehören: Silben, Hebung und Senkung.
Als Erstes schaust du dir nämlich die einzelnen Silben der Wörter eines Gedichts an. Silben sind die Bausteine, in die du jedes Wort zerlegen kannst. Das Wort „Sonne“ zerlegst du zum Beispiel so:
Son|ne
Nun interessiert dich aber nicht die Anzahl der Silben. Stattdessen untersuchst du, welche Silben du beim Sprechen betonst und welche nicht. Die betonten Silben nennst du Hebungen. Die unbetonten heißen Senkungen.
Um zu erkennen, ob eine Silbe betont ist, sprichst du das Wort laut aus. Dadurch hörst du ganz von selbst, bei welcher Silbe deine Stimme etwas lauter oder kräftiger wird. Das sind dann die betonten Silben, also die Hebungen.
Wenn du zum Beispiel „Sonne“ laut aussprichst, merkst du: Die erste Silbe „Son“ sprichst du deutlich kräftiger aus als die zweite Silbe „ne“.
Son|ne
Die Hebungen und Senkungen markierst du über den Silben meist mit bestimmten Symbolen. Für Hebungen nimmst du – und für Senkungen ∪. Eine andere Möglichkeit ist auch X (Hebung) und x (Senkung). Das Muster für „Sonne“ sieht zum Beispiel so aus:
– ∪
Son|ne
Tipp: Sprich ein Wort bewusst falsch betont aus. Du wirst merken, dass es sich unnatürlich anhört. Das hilft, die richtige Betonung zu bestätigen. Zum Beispiel „Son-ne“ klingt seltsam, oder?
So bestimmst du das Versmaß — Schritt für Schritt-Anleitung
Jetzt, wo du die Grundbegriffe kennst, kannst du das Versmaß eines Gedichts selbst herausfinden. Dafür brauchst du nur 4 Schritte:
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Schritt: Silben trennen
Zerlege jede Verszeile in die einzelnen Silben. Setze dafür einfach Striche zwischen die Silben. Nehmen wir als Beispiel diese beiden Verse aus Goethes „Heidenröslein“:
„Sah| ein| Knab’| ein| Rös|lein| stehn,
Rös|lein| auf| der| Hei|den.“
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Schritt: Hebungen und Senkungen markieren
Lies die Verse laut vor und achte darauf, welche Silben du deutlich betonst und welche eher leise bleiben. Markiere dabei die Hebungen (betont) und die Senkungen (unbetont).
„Sah| ein| Knab’| ein| Rös|lein| stehn,
Rös|lein| auf| der| Hei|den.“
Das Muster ist also:
– ∪ – ∪ – ∪ –
– ∪ – ∪ – ∪ -
Schritt: Hebungen zählen
Jetzt, wo du die Hebungen und Senkungen markiert hast, zählst du die Hebungen. Das brauchst du, um zu sagen, ob ein Vers zum Beispiel zweihebig, dreihebig, vierhebig oder gar fünfhebig ist. In unserem Fall hat der erste Vers vier Hebungen (–) und der zweite drei. Es handelt sich also um einen vier- und einen dreihebigen Vers.
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Schritt: Versmaß erkennen
Zu guter Letzt kannst du nun das Versmaß bestimmen. Dafür schaust du dir das Muster der betonten und unbetonten Silben an. In „Heidenröslein“ wiederholt sich das Muster „betont — unbetont“. Deshalb handelt es sich um das Versmaß „Trochäus“ (mehr dazu im nächsten Abschnitt).
Zusammen mit deinem Ergebnis aus Schritt 3 kannst du das Versmaß noch genauer bestimmen: Der erste Vers ist ein dreihebiger und der zweite ein vierhebiger Trochäus.
Die 4 wichtigsten Versmaße:
Jedes Versmaß folgt einem bestimmten Muster aus betonten und unbetonten Silben — wie der Trochäus, den du eben schon gesehen hast. Doch es gibt noch viele weitere Arten von Versmaßen.
Die vier wichtigsten Versmaße heißen Jambus, Trochäus, Anapäst und Daktylus.
In den nächsten Abschnitten schauen wir uns genauer an, wie du sie erkennst und wie sie ein Gedicht beeinflussen.
Jambus
Der Jambus besteht immer aus zwei Silben: Erst kommt eine unbetonte Silbe, dann eine betonte. So entsteht ein Rhythmus, der wie ein Herzschlag klingt: ta-TAM, ta-TAM. Als Muster sieht das so aus: ∪ –
➡️ Beispiel: „Der Fischer“ von Johann Wolfgang von Goethe
„Das| Was|ser| rauscht’,| das| Was|ser| schwoll,
Ein| Fi|scher| saß| am| U|fer| wohl,“
Hier folgt auf „Das“ (unbetont) das betonte „Was“. Das Muster zieht sich durch die ganze Zeile: unbetont — betont, unbetont — betont. Der Jambus klingt fließend und natürlich. Gedichte wirken dadurch ruhig und harmonisch.
Trochäus
Der Trochäus ist das Gegenteil vom Jambus. Hier wird zuerst eine Silbe betont, danach folgt eine unbetonte: – ∪
➡️ Beispiel: „Ode an die Freude“ von Friedrich Schiller
„Freu|de,| schö|ner| Göt|ter|fun|ken,
Toch|ter| aus| E|ly|si|um,“
Da immer die erste Silbe betont wird, gibt der Trochäus einem Gedicht eine kräftige, manchmal sogar befehlende Wirkung.
Anapäst
Beim Anapäst ist der Rhythmus etwas spezieller: Erst kommen zwei unbetonte, dann eine betonte Silbe. Also in diesem Muster: ∪ ∪ –
➡️ Beispiel: „Der Taucher“ von Friedrich Schiller
„Und| es| wal|let| und| sie|det| und| brau|set| und| zischt,
Wie| wenn| Was|ser| und| Feu|er| sich| mengt.“
Wenn du die Verse laut vorliest, merkst du das Muster: zwei kurze, dann eine starke Silbe. Das macht Gedichte mit Anapäst oft schwungvoll oder sogar ein bisschen hüpfend.
Daktylus
Kommen hingegen nach einer betonten Silbe zwei unbetonte Silben, handelt es sich um einen Daktylus: – ∪ ∪
➡️ Beispiel: „Würde der Frauen“ von Friedrich Schiller
„Him|mli|sche| Ro|sen| ins| ir|di|sche| Le|ben,
Flech|ten| der| Lie|be| be|glück|en|des| Band,“
In dem Beispiel kannst du gut erkennen, dass auf jede betonte Silbe zwei leichte, unbetonte Silben folgen. Damit bringt der Daktylus Bewegung und Energie in einen Text.
Kadenz bestimmen
Wenn du ein Gedicht analysierst, reicht es nicht, nur das Versmaß zu bestimmen. Oft musst du auch die Kadenz angeben. Sie beschreibt, wie das Ende der Verse klingt. Dabei unterscheidest du drei Arten von Kadenzen:
- Männliche Kadenz: Jeder Vers endet auf einer betonten Silbe (Hebung)
- Weibliche Kadenz: Die Zeile endet immer auf einer unbetonten Silbe (Senkung)
- Reiche Kadenz: Hier stehen mehrere unbetonte Silben am Ende
Schau dir zum Beispiel den Anfang von „Der Erlkönig“ von Johann Wolfgang von Goethe an:
„Wer| rei|tet| so| spät| durch| Nacht| und| Wind?
Es| ist| der| Va|ter| mit| sei|nem| Kind;“
Sowohl der erste als auch der zweite Vers enden hier auf einer betonten Silbe, also einer Hebung. Es handelt sich deshalb um eine männliche Kadenz.
Warum ist das Versmaß wichtig?
Nun kannst du das Versmaß bestimmen — aber warum ist das überhaupt so entscheidend? Der Grund ist, dass das Versmaß und die Betonung nicht nur für den Klang eines Gedichts sorgen. Sie bestimmen auch, wie sich das Gedicht für dich anfühlt. Der Rhythmus hilft dir, die Botschaft des Dichters zu erkennen. Denn Dichter wählen das Versmaß ganz bewusst, um eine bestimmte Stimmung zu übermitteln.
Schau dir zum Beispiel nochmal Friedrich Schillers „Ode an die Freude“ an:
„Freu|de,| schö|ner| Göt|ter|fun|ken,
Toch|ter| aus| E|ly|si|um.
Wir| be|tre|ten| feu|er|trun|ken
Him|mli|sche,| dein| Hei|lig|tum.“
Hier liegt ein Trochäus vor. Das Muster aus betonten und unbetonten Silben sorgt für Schwung und Feierlichkeit.
Im Gedicht „Abendlied“ von Matthias Claudius sorgt das Versmaß hingegen für eine ganz andere Stimmung:
„Der| Mond| ist| auf|ge|gang|en,
die| gold|nen| Stern|lein| prang|en
Am| Him|mel| hell| und| klar;
Der| Wald| steht| schwarz| und| schwei|get,
Und| aus| den| Wie|sen| stei|get
Der| wei|ße Ne|bel wun|der|bar.“
Der gleichmäßige Jambus sorgt hier für Entspannung, Ruhe und Geborgenheit.
Jambus, Trochäus, Anapäst und Daktylus — Zusammenfassung
Die wichtigsten Infos zu den vier Versmaßen haben wir dir in der Tabelle zusammengefasst:
Versmaß | Muster (Versfuß) | Erklärung | Merkwort |
Jambus | unbetont — betont | zwei Silben: leise, dann laut | Ge|dicht |
Trochäus | betont — unbetont | zwei Silben: laut, dann leise | Ly|rik |
Daktylus | betont — unbetont — unbetont | drei Silben: laut, leise, leise | Dak|ty|lus |
Anapäst | unbetont — unbetont — betont | drei Silben: leise, leise, dann laut | A|na|päst |
Reimschema
Super, jetzt kennst du dich mit dem Versmaß bestens aus! Neben dem Versmaß musst du in einer Gedichtanalyse aber auch immer das Reimschema bestimmen. Welche Reimschemas es gibt und wie du sie erkennst, zeigen wir dir hier!
Versmaß — häufigste Fragen
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Was ist ein Versmaß? Ein Versmaß ist das regelmäßige Muster von betonten und unbetonten Silben in einem Vers. Es bestimmt den Rhythmus und die Stimmung von Gedichten.
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Welche Versmaß-Beispiele gibt es? Die bekanntesten Beispiele für Versmaße sind Jambus, Trochäus, Daktylus und Anapäst. Sie beschreiben das rhythmische Muster von Gedichten durch eine bestimmte Abfolge von betonten und unbetonten Silben.
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Wie bestimmt man das Versmaß? Das Versmaß kann so bestimmt werden:
- Trenne die Silben jedes Verses
- Markiere betonte sowie unbetonte Silben
- Zähle die Hebungen (betonte Silben)
- Vergleiche die Abfolge der betonten und unbetonten Silben mit bekannten Versmaßen
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Worin unterscheidet sich Versmaß von Versfuß? Das Versmaß beschreibt das allgemeine rhythmische Muster eines Verses, während der Versfuß die kleinste rhythmische Einheit innerhalb dieses Musters ist.